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Archcraft: Schnelles Linux auch für ältere Rechner

Ein schlankes Linux-System wie Archcraft läuft auch auf älteren Notebooks noch ausreichend schnell. Außerdem bietet die Linux-Distribution eine einfache Möglichkeit, ein fast originales Arch Linux zu installieren. Dank fertiger Themes für Openbox sieht das Ganze auch noch gut aus. Ideal für mein altes Thinkpad x220.

Video: Archcraft: ressourcenschonendes Linux auch für ältere Rechner

Mein Thinkpad x220 habe ich vor einigen Jahren refurbished gekauft. Drin steckt ein Intel Core i7-2620M mit 3,4 GHz, eine integrierte Intel-Grafik HD 3000, 8 GByte Arbeitsspeicher und eine 128 GByte SSD. Das kleine Notebook hat ein mattes Display mit nur 12,5 Zoll und einer Auflösung von 1366×768 Pixel. Das Thinkpad x220 hat eine richtig gute Tastatur, mit der ich gern tippe und sogar ein Licht, das die Tasten von oben beleuchten kann, wenn man mal im Dunkeln sitzt. Mit dem Gerät kann ich noch problemlos surfen, schreiben oder programmieren. Bisher war darauf ein uraltes Xubuntu von 2022, das jetzt von Archcraft abgelöst wird.

Mein Thinkpad x220 mit Archcraft

Live-System & Installation

Das ISO-Image von Archcraft besteht aus einem Livesystem zum Ausprobieren, damit kann ich vorab auch die Hardware-Kompatibilität testen. Zwei Installationsassistenten sind dabei: ein kommandozeilenbasierter ABIF-Installer, der allerdings nicht in deutscher Sprache verfügbar ist sowie der grafischen Installer Calamares, den auch andere Distributionen verwenden. Calamares installiert in wenigen Schritten ein funktionsfähiges System mit Desktop auf der SSD.

Das Archcraft-Projekt

Die Linux-Distribution Archcraft ist im Prinzip ein waschechtes Arch Linux, das Archcraft-Projekt zu einem funktionierenden System zusammengestellt hat. Neu dazugekommen sind eigenen Konfigurationen für die verwendeten Windowmanager und ein paar Komforttools. Woher die Pakete stammen ist eine wichtige Frage, wenn es um die Sicherheit und Zukunft einer Linux-Distribution geht. Vor allem wenn es sich wie bei Archcraft um eine One-Man-Show handelt. Auf der Website wird das sofort klar, dort steht: “Archcraft is a one man’s project.” Im Ein-Mann-Projekt von Aditya Shakya hängt die Pflege der Distribution an einer einzigen Person. Da kann es leicht mal sein, dass Updates länger dauern oder gar ausbleiben. Oder die Distribution nicht fortgeführt wird, weil dem Entwickler die Zeit dafür fehlt.

Bei Archcraft ist das nicht so tragisch: Welche Paketquellen Archcraft nutzt, sieht man in der Datei /etc/pacman.conf. Hier zeigt sich: Archcraft greift neben einer eigenen Paketquelle auf die originalen Arch-Linux-Repositories zu. Der Befehl paclist archcraftlistet dann auf, welche Pakete die Archcraft-Paketquelle liefert. Dabei zeigt sich, dass das vor allem Themes, Icons, ein paar Tools, die in den Arch-Paketquellen fehlen wie yay, Simplescreenrecorder oder obmenu-generator und die Konfigurationen der Windowmanager sind. Die wichtigen Systemkomponenten hingegen stammen aus den Arch-Linux-Paketquellen. Die Updates dafür sind also schon mal gesichert.

Der Befehl paclist liefert alle Pakete eines Repositories.

Sollte die Distribution eines Tages nicht mehr weiterentwickelt werden, könnte man diese Pakete und die Archcraft-Paketquelle entfernen und das System als reines Arch Linux weiter betreiben. Wie sowas im Prinzip funktioniert, habe ich in “Wechsel von Antergos zu Arch Linux” schon einmal gezeigt.

Grafische Oberfläche & Software

Archcraft setzt auf schlanke Windowmanager statt einer komplexen Desktop-Umgebung. Dadurch braucht es nur wenig Systemressourcen, bietet aber auch weniger Komfort. Das Standard-ISO-Image nutzt OpenBox, bei der Installation steht alternativ BspWM zur Wahl – oder beide. An einigen Stellen trickst Archcraft und integriert Tools des Xfce-Desktops. Daher gibt es einen Einstellungendialog, der eine Reihe von Konfigurationsdialoge vereint.

Einem schlanken System angemessen ist nach der Installation nicht viel Software vorinstalliert: der Webbrowser Firefox, der Dateimanager Thunar (auch aus dem Xfce-Fundus), der Kommandozeilendateimanager Ranger, die Entwicklungsumgebung Geany, Simplescreenrecorder, der schlichte Bildbetrachter Viewnior, Nitrogen zum Wechseln des Hintergrundbilds, der Kvantum-Theme-Manager, der Dokumentenbetrachter Atril für PDFs, GParted zum Partitionieren, ein Taschenrechner, Meld zum Vergleichen von Dateien, mpd zum Abspielen von Musik und einige mehr sowie etliche Konfigurationsdialoge. Im Prinzip keine schlechte Auswahl, doch warum Gparted dabei ist, das ich doch eher vor einer Installation brauche und danach nur noch selten, erschließt sich mir nicht.

Frisches Archcraft samt Updates auf dem Thinkpad x220.

Eine grafische Software-Verwaltung gibt es nicht, neue Pakete und Updates spielt das Kommandozeilentool pacman ein. Aus den Archcraft-Quellen vorinstalliert ist allerdings der AUR-Wrapper yay, der die Installation von Software anhand von PKGBuilds aus dem AUR vereinfacht. Flatpak fehlt, wer Programme als Flatpak einrichten will, muss aber nur das Paket flatpak nachrüsten.

Unter der Haube arbeitet bei Archcraft ein aktueller Kernel 6.12 aus den Arch-Repositories, als Shell auf der Kommandozeile ist zsh 5.9 eingerichtet und als Standard-Terminalprogramm dient Alacritty, aber auch Xfce4-Terminal und Kitty sind vorinstalliert.

Schnelle Oberfläche mit Openbox

Archcraft liefert den flinken Windowmanager OpenBox bereits vorkonfiguriert, das spart eine Menge Zeit. Installiert man den selbst, ist nämlich nicht viel dran: Zwar lädt der Windowmanager in einem Sekundenbruchteil, doch ohne weitere Tools sieht man nur einen schwarzen Hintergrund mit Mauszeiger. Ein Rechtsklick öffnet ein rudimentäres Menü, das noch nicht mal alle Anwendungen auflistet. Alles weitere muss man selbst installieren: Panel, Hintergrundbild, das Anwendungsmenü und so weiter.

In Archcraft zeigt Polybar (oder wahlweise Tint2) eine Leiste mit Infos, Plank stellt in einigen Themes eine hübsche kleine Leiste mit Programmstartern bereit, Obmenu füllt das Anwendungsmenü und Rofi startet Apps.

Das Archcraft-Theme Rainy für OpenBox

OpenBox-Themes in Archcraft

Fünfzehn verschiedene Themes bringt die kostenlose Variante von Archcraft für OpenBox mit. Die zeigen zum einen, was sich mit Polybar und Co. so alles machen lässt und halten unterschiedliche Funktionen bereit. Im Video zeige ich alle fünfzehn Themes.

Mal hell mal dunkel: Die OpenBox-Themes in Archcraft sehen völlig unterschiedlich aus aus.

Das Standardtheme hält beispielsweise eine Leiste am oberen Bildschirmrand bereit, die das Tool Polybar erzeugt. Dort sind ein Arbeitsflächenumschalter, Systeminformationen, ein Widget für die Steuerung des Mediaplayers und ein Systembereich für Bluetooth, WLAN, Akkuanzeige und Lautstärke untergebracht. Ganz öffnet eine Schaltfläche einen Rofi-Dialog zum Herunterfahren und Abmelden.

Rofi erfüllt in Archcraft gleich mehrere Funktionen: Das Tool kann in der Leiste als eine Art Anwendungsmenü auftauchen, das die installierten Programme auflistet. Oder es öffnet einen Programmstarter in der Mitte des Desktops, der denselben Zweck erfüllt. Manchmal kann man hier in vier verschiedenen Tabs grafische Programme aufrufen, Kommandozeilentools auflisten, in den Dateien stöbern und die geöffneten Fenster anzeigen. Und Rofi kann auch einen Dialog zum Herunterfahren anbieten. Mit Themes lässt sich Rofi optisch anpassen.

Archcraft bietet mit Hilfe von rofi einen Dialog zum Abmelden, neu starten und herunterfahren an.

Ein Rechtsklick auf den Desktop öffnet Obmenu. Das kleine Menü sieht in jedem Theme anders aus. Mal ist es umfangreicher, mal sind nur wenige Einträge drin. Über “Preferences/Openbox” lässt sich einiges konfigurieren, etwa ob oder welche Icons das Menü zeigt. Manche Dinge sind nur über die Konfigurationsdateien anpassbar, anderes geht bequem übers Menü. Allein für die Farben des Terminals stehen hier 65 Farbkombinationen zur Wahl. Auch die Schriftart einzelner Desktop-Elemente lässt sich hier ändern.

Mein erster Eindruck

Archcraft ist eine schöne, schlanke Linux-Distribution auf der Basis von Arch Linux und eignet sich gut auch für ältere Rechner. Die Installation lief sowohl auf meinem ersten Testsystem (ein Thinkpad X1 Carbon) als auch dem Thinkpad x220 reibungslos durch.

In den Openbox-Konfigurationen steckt viel Arbeit und Liebe fürs Detail, der Desktop ist gut mit der Tastatur zu bedienen. Die Schrift ist manchmal arg klein, das kann ich zwar bequem übers Menü umstellen, doch leider merkt sich Archcraft das nicht bis zum nächsten Mal. Da ist es vermutlich besser, die Änderung in der Konfiguration zu hinterlegen. Weitere ISO-Images von Archcraft gibt es gegen Geld, die bieten weitere Themes an oder Konfigurationen für Wayland-Windowmanager wie Hyprland und Sway.

Die Dokumentation im Archcraft-Wiki ist gut und erklärt Tools und Tastenkombinationen. Wer sich mit Arch Linux auskennt, wird sich hier gleich wohl fühlen. Für den Einstieg in Linux ist die Distribution allerdings eher nichts, denn hier muss man oft bereits wissen, was zu tun ist.

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